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Klein Deutschland - Etappe 206

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Das Wasser ist glasklar, die Küste steinig, die Wege holprig, der Wind mäßig bis stark, die Campingplätze mal geöffnet, mal geschlossen, die Straßen voll mit deutschen, österreichischen und schweize Wohnmobilen. Ich freue mich auf den ersten kroatischen Supermarkt und erwarte haufenweise Produkte, die ich noch nicht kenne. Lukas bittet mich, bevor ich losstürme, nur für heute und nicht für die ganze Woche einzukaufen. Wir sind immer noch mit dem Fahrrad unterwegs, ermahnt er mich. Drinnen im Supermarkt ist meine Enttäuschung groß: es ist der langweiligste Einkauf seit wir Deutschland verlassen haben. Warum? Weil ich das Gefühl habe, dass ich zurück in Deutschland bin. Auf den Waren steht alles auf deutsch, dabei wollte ich doch Produkte kaufen, die ich nicht sofort identifizieren kann mit vielen Akzenten auf den Buchstaben. Als dann noch die Durchsagen auf deutsch sind, fühlt sich das total falsch an.

Drei Länder an einem Tag - Etappe 205

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Heute bricht der letzte Tag in Italien an. Gemütlich radeln wir ins 35 km entfernte Triest um dort (mal wieder) einen Covid-Test zu machen. Die Teststation ist in einem Zelt aufgebaut und als wir mit unseren vollgepackten Rädern anrollen, sind wir das absolute Highlight. Direkt scharen sich die Laborangestellten um uns und löchern uns mit Fragen. Einer ist ganz aufgeregt, weil er uns schon gestern auf der Straße gesehen hat. Irgendwann drängeln die Patienten, die nach uns gekommen sind und alle gehen wieder an die Arbeit. Ich weiß, ich sag das jedes Mal, aber heute ist der Test echt unangenehm: die Pflegekraft rührt so erbarmungslos in meinem Nasengang herum, dass ich völlig verheult und desorientiert aus dem Zelt wanke. Lukas erging es ebenso. In drei Stunden sollen wir die Ergebnisse abrufen können. Wir vertrauen darauf und machen uns auf den Weg zur slowenischen Grenze. Ich erwarte Grenzkontrollen, aber der Fahrradweg ist wohl für die Grenzpolizei uninteressant. Die Fahrradwege in ...

Bora - Etappe 204

Bora , so wird der kalte Fallwind im Osten der Adria genannt. Namensgeber ist der griechische Gott des Winterwinds Boreas hochpersönlich. Unsere Gastgeberin warnt uns beim Frühstück vor ihm: 250 km/h sind keine Seltenheit und sie musste sich schon einmal an eine Straßenlaterne klammern um nicht wegzufliegen. Der französische Schriftsteller  Stendhal schrieb 1830 Folgendes über dieses Wetterphänomen: "Die Bora wütet zweimal die Woche und fünfmal herrscht ein starker Wind. Ich nenne es ‚ starker Wind ‘, wenn man unablässig damit beschäftigt ist, den Hut festzuhalten; und ‚ Bora ‘, wenn man Angst haben muss, sich den Arm zu brechen. Gestern wurde ich vier Schritte weit geschleudert. Es braucht schon Mut genug, wenn man katalanischen Räubern über den Weg läuft, aber, meine Herren, dieser Wind verdreht mir die Eingeweide." Dem habe ich nichts mehr hinzuzufügen.

Jeder Kilometer zählt - Etappe 203

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Beim Frühstück warnt mich Lukas vor stärkeren Böen. Das seien aber nur vereinzelte Windstöße, nichts dauerhaftes. (Spoiler: es stürmt konstant mit 70 km/h und die "stärkeren Böen" liegen weit darüber.) Wir freuen uns total, wieder im Sattel zu sitzen. Das Radeln ist schon längst zu unserem Alltag geworden - jeder kennt seine Aufgaben und diese laufen ganz routiniert ab. Der Wind weht uns aus Venedig raus. Leider müssen wir eine scharfe Kurve nach Nordosten nehmen und haben fortan Gegenwind. Auf den Fahrradwegen schlinger ich hin und her, Lukas merkt vom Wind - wie immer - nichts. Irgendwann endet der Radweg und wir fahren auf einer Nationalstraße weiter. Weder links noch rechts stehen Bäume, Büsche oder sonst eine Begrenzung, die den Wind, der über die kahlen Felder pfeift, aufhalten könnte. Mein Fahrrad lässt sich kaum lenken, also pendle ich irgendwo zwischen dem rechten Fahrbahnrand und der Mittellinie. Die Autos fahren gewohnt knapp vorbei und ich sehe vor meinem inneren ...

Ostern in Venedig

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Nach jahrzehntelangem Overtourism ist es ein Privileg die Lagunenstadt so leer zu erleben. Die meisten Touristen-Restaurants und Ramschläden sind geschlossen, dafür sind die Lokale geöffnet, die von den Einheimischen bevorzugt werden. Das Wetter ist traumhaft und Lukas lotst uns durch das Labyrinth aus schmalen Gassen, über kleine Brücken, vorbei an reich verzieren Palazzi  zu den Sehenswürdigkeiten, die ich rausgesucht habe. Da Museen, Kirchen und sonstige Einrichtungen geschlossen sind, gehen wir den vielen Legenden auf den Grund und entdecken so das etwas andere Venedig. Wir schauen uns Brücken an, auf denen Faustkämpfe stattgefunden haben, bevor es die berühmten Regatten gab; sehens uns die Pferde-Statuen an, die über dem Eingang des Markusdoms prangen und in Vollmondnächten über den Platz galoppieren sollen; entdecken verfluchte Paläste und verzauberte Brücken und lernen die erfundenen und wahrhaftigen Kinder der Stadt kennen: blutrünstige Köche, opferbereite Meerjungfrauen, ...

Insel-Reise - Etappe 202

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Am Morgen schlendern wir eine Runde durch die langsam erwachende Stadt  Chioggia,  bevor wir zu ihrer großen Schwester Venedig  weiterziehen. Statt dem Landweg nehmen wir die Fähre und besuchen dabei die beiden vorgelagerten Inseln Pellestrina und Lido . Die breiteste Stelle der Inseln beträgt nur wenige 100 m. Während Pellestrina ein eher unbedeutender Fischerort ist, mauserte sich Lido schon im 19. Jahrhundert zu einem noblen Badeort. Gegenüber von Lido liegt die verlassene Lazarett-Insel Poveglia , um die sich viele schaurige Sagen ranken. Früher wurden die Pestkranken dorthin gebracht, heute treiben sich nur noch ab und zu ein paar unerschrockene Geisterjägerauf auf der Insel herum. Von Lido aus geht es mit der Fähre direkt nach Venedig. Es fällt sofort auf, dass hier wieder sehr viel Militär unterwegs ist. Laut Beschilderung dürfen wir mit den Fahrrädern gar nicht in die Stadt, noch nicht einmal schiebend. Da unser Hotel jedoch nur ein paar Querstraßen vom Auto-Par...

Das Po-Delta - Etappe 201

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Nach einem phänomenalen Frühstück Im Hotel (Brötchen, gefüllte Croissants, verschiedene Kuchen) radeln wir durch's Po-Delta . Die Gegend ist vor allem landwirtschaftlich geprägt. Die Dämme erinnern mich ein bisschen an die Rheinebene. Es gibt unglaublich viele Tiere, insbesondere Vögel, hier: Flamingos, Fasane, Schnepfen, zig Entenarten, Rehe und zahllose zermatschte Bieber-Ratten am Straßenrand. Wir sind es ja schon gewohnt, dass die Leute vom Bordstein aus oder aus Autos heraus Bilder und Videos von uns machen, aber heute ist es besonders auffällig. Ein Autofahrer überholt uns mehrere Male, steigt aus und filmt uns. Als wir ihm zuwinken, freut er sich total. Solche kuriosen Momente gab es schon oft. Schade, dass wir niemals das Footage zu sehen bekommen. Abends erreichen wir  Chioggia  - oder Klein-Venedig , wie die Stadt auch genannt wird. Mit ihren bunten Häusern, Kanälen, Booten und kleinen Brücken hat sie tatsächlich venezianischen Flair.