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Neue Bekanntschaften - Etappe 208

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Als wir die Nase aus dem Fenster strecken, regnet es. Der Wetterbericht sagt, das bleibt heute so. Daher verkriechen wir uns zurück unter die Bettdecke und verlängern unseren Aufenthalt in unserer romantischen Ferienwohnung. Die Gastgeber überraschen uns mit Wein und frisch zubereiteten Crêpes. Hier sind alle so unglaublich freundlich! Nicht, dass wir irgendwann einmal schlechte Erfahrungen gemacht hätten, bisher haben wir ausschließlich nette Menschen getroffen, aber hier in Kroatien herrscht eine ganz besondere Herzlichkeit. Ich bin auf jeden Fall schon ein Kroatien-Fan. Am Tag darauf machen wir nochmal den Test und halten die Nase aus dem Fenster: immer noch Regen, aber der Wetterbericht behauptet, dass es gleich aufhört. Also packen wir zusammen und schwingen und auf den Sattel. Nach kurzer Fahrt überholen wir zwei andere Radreisende aus Lörrach ! Hanna und Vince sind seit zwei Wochen unterwegs. Wir unterhalten uns eine Weile, tauschen Kontaktdaten aus und verabschieden uns wieder....

Sonntagsspaziergang durch Rovinj

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Die Hafenstadt Rovinj befindet sich auf einer Landzunge und bietet ein echt hübsches Fotomotiv. Durch die schmalen verwinkelten Gassen spazieren wir zur Kirche Euphemia , deren Kirchturm dem venezianischen Campanile nachempfunden ist - dadurch fühlt man sich direkt wie nach Venedig zurück katapultiert. Die Stadt hat eine bewegte Geschichte. Sie war Schauplatz von Seeschlachten, Piratenangriffen, wurde regelmäßig niedergebrannt und gehörte unter anderem schon zu Venedig, Österreich und Jugoslawien. Die Kopfsteinpflaster sind ganz rutschig vom Regen, also schlendern wir ganz langsam um uns nicht unfreiwillig hinzulegen. Es geht Treppen hoch und runter, durch Torbögen hindurch und entlang des Hafens, wo sich die Boote quasi türmen. In den Straßen finden viele kleine Kunst- und Handarbeits-Geschäfte, die teilweise geöffnet sind. Trotzdem ist es sehr ruhig auf den Straßen und wir begegnen selten jemandem. Den Rest des Tages verbringen wir in unserer super kuscheligen Ferienwohnung.

Holterdiepolter - Etappe 207

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Schon beim ersten Tritt merke ich, wie angestrengt meine Oberschenkelmuskeln sind. Es wir Zeit für eine Pause. Seit Bari (also seit 1280 km) ist mein Hinterrad nicht mehr richtig fest und seit Venedig schaukelt es sich immer mehr auf. Ehrlich gesagt ist mir das gar nicht aufgefallen, aber Lukas kann sich das Gewackel nicht mehr ertragen und navigiert uns zum Fahrradmechaniker. Der schlägt die Hände über dem Kopf zusammen, als er meine Schaltung sieht und legt die Stirn in tiefe Falten, als er hört, dass wir noch weitere 1000 km damit fahren wollen. Daraufhin tauscht er die Rollen am Schaltwerk und reinigt die komplette Schaltung. Mahnend schaut er mich an und sagt, dass ich die Schaltung Zuhause tauschen lassen soll. Oder besser noch, das Fahrrad direkt verkaufen - der Aufwand lohnt nicht mehr. Auf jeden Fall fährt sich mein Rad wieder besser und ich brauche meine Schalthebel nur leicht anzutippen und es wechselt die Gänge. Ich bin überrascht, wie wenig mir solche schleichenden Verände...

Klein Deutschland - Etappe 206

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Das Wasser ist glasklar, die Küste steinig, die Wege holprig, der Wind mäßig bis stark, die Campingplätze mal geöffnet, mal geschlossen, die Straßen voll mit deutschen, österreichischen und schweize Wohnmobilen. Ich freue mich auf den ersten kroatischen Supermarkt und erwarte haufenweise Produkte, die ich noch nicht kenne. Lukas bittet mich, bevor ich losstürme, nur für heute und nicht für die ganze Woche einzukaufen. Wir sind immer noch mit dem Fahrrad unterwegs, ermahnt er mich. Drinnen im Supermarkt ist meine Enttäuschung groß: es ist der langweiligste Einkauf seit wir Deutschland verlassen haben. Warum? Weil ich das Gefühl habe, dass ich zurück in Deutschland bin. Auf den Waren steht alles auf deutsch, dabei wollte ich doch Produkte kaufen, die ich nicht sofort identifizieren kann mit vielen Akzenten auf den Buchstaben. Als dann noch die Durchsagen auf deutsch sind, fühlt sich das total falsch an.

Drei Länder an einem Tag - Etappe 205

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Heute bricht der letzte Tag in Italien an. Gemütlich radeln wir ins 35 km entfernte Triest um dort (mal wieder) einen Covid-Test zu machen. Die Teststation ist in einem Zelt aufgebaut und als wir mit unseren vollgepackten Rädern anrollen, sind wir das absolute Highlight. Direkt scharen sich die Laborangestellten um uns und löchern uns mit Fragen. Einer ist ganz aufgeregt, weil er uns schon gestern auf der Straße gesehen hat. Irgendwann drängeln die Patienten, die nach uns gekommen sind und alle gehen wieder an die Arbeit. Ich weiß, ich sag das jedes Mal, aber heute ist der Test echt unangenehm: die Pflegekraft rührt so erbarmungslos in meinem Nasengang herum, dass ich völlig verheult und desorientiert aus dem Zelt wanke. Lukas erging es ebenso. In drei Stunden sollen wir die Ergebnisse abrufen können. Wir vertrauen darauf und machen uns auf den Weg zur slowenischen Grenze. Ich erwarte Grenzkontrollen, aber der Fahrradweg ist wohl für die Grenzpolizei uninteressant. Die Fahrradwege in ...

Bora - Etappe 204

Bora , so wird der kalte Fallwind im Osten der Adria genannt. Namensgeber ist der griechische Gott des Winterwinds Boreas hochpersönlich. Unsere Gastgeberin warnt uns beim Frühstück vor ihm: 250 km/h sind keine Seltenheit und sie musste sich schon einmal an eine Straßenlaterne klammern um nicht wegzufliegen. Der französische Schriftsteller  Stendhal schrieb 1830 Folgendes über dieses Wetterphänomen: "Die Bora wütet zweimal die Woche und fünfmal herrscht ein starker Wind. Ich nenne es ‚ starker Wind ‘, wenn man unablässig damit beschäftigt ist, den Hut festzuhalten; und ‚ Bora ‘, wenn man Angst haben muss, sich den Arm zu brechen. Gestern wurde ich vier Schritte weit geschleudert. Es braucht schon Mut genug, wenn man katalanischen Räubern über den Weg läuft, aber, meine Herren, dieser Wind verdreht mir die Eingeweide." Dem habe ich nichts mehr hinzuzufügen.

Jeder Kilometer zählt - Etappe 203

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Beim Frühstück warnt mich Lukas vor stärkeren Böen. Das seien aber nur vereinzelte Windstöße, nichts dauerhaftes. (Spoiler: es stürmt konstant mit 70 km/h und die "stärkeren Böen" liegen weit darüber.) Wir freuen uns total, wieder im Sattel zu sitzen. Das Radeln ist schon längst zu unserem Alltag geworden - jeder kennt seine Aufgaben und diese laufen ganz routiniert ab. Der Wind weht uns aus Venedig raus. Leider müssen wir eine scharfe Kurve nach Nordosten nehmen und haben fortan Gegenwind. Auf den Fahrradwegen schlinger ich hin und her, Lukas merkt vom Wind - wie immer - nichts. Irgendwann endet der Radweg und wir fahren auf einer Nationalstraße weiter. Weder links noch rechts stehen Bäume, Büsche oder sonst eine Begrenzung, die den Wind, der über die kahlen Felder pfeift, aufhalten könnte. Mein Fahrrad lässt sich kaum lenken, also pendle ich irgendwo zwischen dem rechten Fahrbahnrand und der Mittellinie. Die Autos fahren gewohnt knapp vorbei und ich sehe vor meinem inneren ...

Ostern in Venedig

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Nach jahrzehntelangem Overtourism ist es ein Privileg die Lagunenstadt so leer zu erleben. Die meisten Touristen-Restaurants und Ramschläden sind geschlossen, dafür sind die Lokale geöffnet, die von den Einheimischen bevorzugt werden. Das Wetter ist traumhaft und Lukas lotst uns durch das Labyrinth aus schmalen Gassen, über kleine Brücken, vorbei an reich verzieren Palazzi  zu den Sehenswürdigkeiten, die ich rausgesucht habe. Da Museen, Kirchen und sonstige Einrichtungen geschlossen sind, gehen wir den vielen Legenden auf den Grund und entdecken so das etwas andere Venedig. Wir schauen uns Brücken an, auf denen Faustkämpfe stattgefunden haben, bevor es die berühmten Regatten gab; sehens uns die Pferde-Statuen an, die über dem Eingang des Markusdoms prangen und in Vollmondnächten über den Platz galoppieren sollen; entdecken verfluchte Paläste und verzauberte Brücken und lernen die erfundenen und wahrhaftigen Kinder der Stadt kennen: blutrünstige Köche, opferbereite Meerjungfrauen, ...